@Papierflieger
Papierflieger hat geschrieben:
Er richtet seine Aufmerksamkeit auf etwas, dass ihm 100% Überzeugung und Erkenntnis gibt.
Ja, das genügt eben nicht. Deswegen auch ein etwas ausführlicher Beitrag von mir dazu.
Das Richten von Aufmerksamkeit auf etwas, das zu einer 100%igen Überzeugung führt, muss nicht zwangsläufig auf etwas Wahres gerichtet sein. Sämtliche Überzeugungen jeglicher Art und wovon auch immer werden zunächst grundsätzlich als wahr empfunden, weil es sonst keine Überzeugungen wären, egal wie falsch sie sein mögen.
Um eine Wahrheit erkennen zu können, reicht es nicht aus, seine Sinne auf etwas zu richten oder darüber nachzudenken, sondern es ist vielmehr entscheidend, dass wir dabei keine Filter, keine Denkschablonen benutzen. Grundsätzlich kann man zwei Filter-Arten unterscheiden, die biologischen und die psychologischen Filter.
Zu den biologischen Filtern zählen unsere Sinnesqualitäten. Das heißt, wie können nur einen bestimmten Bereich des elektromagnetischen Spektrums wahrnehmen. Zudem kann ein blinder Mann nun mal kein Rot sehen. Ein Schwerhöriger wird manche Dinge auch nicht hören. Das sind die biologischen Filter, die für die meisten Menschen ähnlich sind.
Und dann gibt es psychologische, mentale Filter und die sind noch viel interessanter. Wenn wir eine Vorstellung, eine Denkschablone von etwas haben, dann sehen wir nur noch, was in die Vorstellung hinein passt. Wir haben eine Erwartungshaltung und die werden wir dann sehen.
Beispiel: Drei Männer gehen durch eine Stadt. Der Erste sieht nur Frauen, die er vielleicht aufreißen möchte. Der Zweite sieht nur Gebäude, weil ihn Architektur interessiert. Und der Dritte sieht nur Autos. Die Drei könnten alle dasselbe sehen. Doch jeder sieht nur das, was in seine Vorstellung hineinpasst. Es sind tausende von Dingen da, die wahrgenommen werden könnten. Wir können jedoch nur jeweils einen Bruchteil herauspicken und wir picken das heraus, was in unsere Vorstellung hineinpasst. Der Rest wird ausgeblendet.
Biologische und psychologische Filter verhindern das Erkennen einer Wahrheit. Man muss sie erst loswerden bzw. umgehen.
Das Umgehen von biologischen Filtern, wie z.B. der Einschränkung des Sehbereiches, erfolgt mit Technologien, mit optischen Geräten und Hilfsmitteln, die uns zum Beispiel auch Dinge im Infrarot- oder den Röntgenbereich sehen lassen.
Das Umgehen von psychologischen Filtern ist noch schwieriger, weil sie zunächst nicht immer als solche erkannt werden. Dazu ein paar auführlichere Anmerkungen, wie unser Gehirn uns bei dem Versuch, eine Wahrheit zu erkennen, nicht etwa hilft, sondern zunächst blockiert.
Stell dir vor, ich skizziere das Gehirn auf einem Blatt Papier aus der Sicht von oben. Dann zeichne ich das Großhirn so, dass die beiden Hemisphären unterteilt sind, in eine rechte und eine linke Gehirnhälfte. Das ähnelt einer Walnuss, in der Mitte die Furche und daneben die vielen Falten. Die Mitte ist das corpus callosum, das gigantischste Nervengeflecht des Körpers, das die beiden Hälften verbindet.
Stellen wir uns weiterhin anschaulich vor, dass wir einen Mitarbeiter in jeder Gehirnhälfte haben, den Mister Links und Mister Rechts. Wenn die beiden als Team arbeiten, dann sind wir brillant. Und wenn wir so halbhirnig vorgehen, dann sind wir gebremst sozusagen und blockiert. Wir können weiterhin ganz grob, ganz vereinfacht sagen, dass der Mister Links z.B. für Sprache zuständig ist und der Mister Rechts für Bilder/Anschauungen/Erinnerungen.
Wenn ich beispielweise zu dir sage: ”Denke 10 Sekunden lang keinesfalls an eine rote Maus auf einem grünen Fahrrad“, dann wissen wir sofort, woran du denkst. Der Mister Links hört ”Rot, Maus, Fahrrad“, schießt es seinem Kollegen Mister Rechts zu und fragt: ”Hast du dazu in deinem Archiv ein Bild, ein Konzept, eine Idee?“, und dann antwortet Mister Rechts ”Jawohl!“ und schießt uns das Bild zu. Und dieses ”sich ein Bild davon machen“ läuft unbewusst ab. Es wird jedoch bewusst durch die absolute Forderung.
Beispiel: Sprachtalent
Viele Menschen behaupten ja, sie hätten kein Sprachtalent. Und wenn das WAHR wäre, dass die alle Recht hätten, dann würde das ja heißen, dass der liebe Gott alle Menschen mit Sprachtalent in die Benelux-Länder gejagt hat. Denn da muss ein Nest sein.
Das heißt, wir Nicht-Beneluxer haben die Vorstellung, das wir kein Sprachtalent haben. Und unser Verstand möchte immer Recht haben. Lieber bewahrheiten wir etwas Schlechtes, als unseren Horizont und unsere Grenzen zu erweitern. Wenn wir eine solche Vorstellung haben, dann blockiert uns die Vorstellung. Und dann müssen wir gemäß der Vorstellung agieren. Und wenn es eine Diskrepanz gibt zwischen Wollen und Vorstellung, dann siegt immer die Vorstellung. Das heißt, im Zweifelsfall ist die rechte Gehirnhälfte die Stärkere. Da es aber keine Worte hat/benutzt, merken wir das nicht. Es hat lange gedauert, bis die Gehirnforschung darauf kam. Man nannte die linke Gehirnhälfte die Dominante. Das war unwahr.
Beispiel: Erstmals gehörte Worte
Wenn ich jetzt zu dir sage: ”Denke 10 Sekunden lang ganz intensiv an dein rom encephalon“, und du liest es hier sogar, das heißt, dein Mitarbeiter Links hört und liest ”rom encephalon“, schießt es hinüber zu seinem Kollegen und fragt ihn ”Haste was dazu?“, und der antwortet darauf ”Nee“. Und dann verstehen wir nicht.
Etwas ”begreifen“ bedeutet, aus der Vergangenheit zu einem Begriff, Idee oder Konzept schon eine Vorstellung zu haben. Wenn das der Fall ist, dann verstehen wir, unabhängig davon, ob das Wort aus dem Lateinischen, dem Römischen oder Griechischen kam.
Halbhirniges Vorgehen zeigt sich bei Lernprozessen wie Schule, Ausbildung usw. deutlich, in dem z.B. etwas recht akademisch erklärt wird. Auch hierzu ein Beispiel:
Beispiel: Fremdworte
In der Ausbildung zum Thema Kommunikation für Laien gibt es einen Lehrsatz.
”Die relative Effizienz kummulierter Kommunikationssubstrate basiert auf der funktionalen Relation zwischen der absoluten Kapazität des Rezipienten und dem quantitativen Thesaurus offerierter Information.“
Jetzt hast du ein klares Bild!
Das heißt, wenn Texte derart halbhirnig abgefasst sind, dass Mister Links furchtbar viele digitale Informationen erhält, und bei Mister Rechts passiert nichts, dann kommt sich der Gehirnbesitzer blöde vor. Und dann sagt er, ja, das ist alles so schwer, und ich hab ein Gedächtnis wie ein Sieb, und solchen Sachen liegen mir nicht. Das heißt, dann verfestigen sich die Vorstellungen, er sei dazu zu blöde. Und jedes mal, wenn er wieder einen Ansatz macht, wird er seine Vorstellung beWAHRHEITEN, denkt aber, dass das die Realität (die Wahrheit) sei, die er erlebt, die mit seinen Vorstellungen ja gar nichts zu tun hat. Für ihn ist das Fakt. Da kann man nicht dran vorbei.
So viel dazu.
Wie du an den Beispielen erkennen kannst, ist es keinesfalls die gerichtete Aufmerksamkeit allein, die für das Erkennen von etwas Wahrem ausreicht.
Fazit
Wenn nun jemand kommt und behauptet, er habe trotz aller biologischen und psychologischen Filter einen allmächtigen Gott erkannt, dann weißt du jetzt, welche seiner beiden Gehirnhälften gewonnen hat.
Quelle: Auszüge aus Vorträgen und Interviews mit Vera F. Birkenbihl.